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Einsame Spitze?

Frauen in Führungspositionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Mit der Einrichtung von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in den neuen Bundesländern ist erstmals eine nennenswerte Zahl von Frauen in Führungspositionen aufgestiegen. Gab es 1990 nur vier Frauen, die eine Leitungsfunktion inne hatten, so sind es 26 im Jahr 2000. Mit der ersten Generation dieser weiblichen Führungspersönlichkeiten habe ich Ende 1994 Intensivinterviews geführt. Darüber hinaus wurden Gespräche mit Redakteurinnen oder Abteilungsleiterinnen geführt, um auszuloten, wie Frauen auf verschiedenen hierarchischen Ebenen gemeinsam Einfluss auf Sender und Programme nehmen können.
Ob sich die verstärkte Präsenz von Frauen in den Führungsetagen auf die Programminhalte sowie auf formelle und informelle Strukturen in den Rundfunkanstalten auswirkt, konnte zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht eindeutig geklärt werden. Etwa jede zweite Chefredakteurin oder Hauptabteilungsleiterin setzte der geschlechtsspezifisch geprägten Organisationsstruktur und -kultur der Rundfunkanstalten Widerstand entgegen und baute informelle Bündnisse mit Kolleginnen auf. Auch die Frage, ob die Inhaberinnen der Führungspositionen insbesondere Frauen mit der Gestaltung von Medieninhalten betrauen, muss mit einem ambivalenten ‚Jein‘ beantwortet werden. Die Erbgebnisse legen allerdings nahe, dass es bei weiter steigendem Frauenanteil in Leitungsfunktionen zunehmend gelingen wird, die Bedeutungszuweisungen von Frauen zu anerkannten Selektions- und Darstellungsmustern im Journalismus zu machen.