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Die polnische Pressewissenschaft

Zur disziplinären Identität in der Volksrepublik Polen (1945-1990)

Im Jahr 1794 wird in Polen in einem anonym veröffentlichten Artikel die Frage erörtert: „Was sind periodische Schriften?“ Damit beginnt die Entwicklung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema „Presse“. Rund 170 Jahre später ist die Pressewissenschaft eine institutionalisierte wissenschaftliche Disziplin mit eigenständigen Forschungsinstituten und Fachzeitschriften. In ihrer Arbeit fragt die Autorin nach den Aspekten und Merkmalen, die die Disziplin in der Volksrepublik Polen (1945-1990) individuell kennzeichnen: ihre disziplinäre Identität. Diese wird über die Elemente historische, soziale und kognitive Identität erfasst. Die Ausführungen zur historischen und sozialen Identität sind deskriptiv angelegt. Die kognitive Identität wird mit Hilfe einer qualitativen kategoriengeleiteten Textanalyse erschlossen, die nach 1) dem Gegenstand und 2) dem Selbstverständnis der Pressewissenschaft fragt. Dazu wurden 21 Arbeiten polnischer Pressewissenschaftler untersucht, deren Thema die wissenschaftliche Disziplin selbst ist. Als Ergebnis der Arbeit konnte die Pressewissenschaft im kommunistischen Polen als praxisorientierte, integrierende Disziplin herausgearbeitet werden, deren Formalobjekt der komplexe Prozess der Massenkommunikation in der Gesellschaft ist. Die Betrachtung der disziplinären Identität in ihrer Entwicklung zeigte, dass im Untersuchungszeitraum die Grenze zwischen zwei Entwicklungsphasen der Disziplin verläuft.