Auf der Suche nach neuen Erlösquellen im Internet setzen immer mehr Zeitungsverlage weltweit auf digitale Bezahlschranken und bieten ihre digitaljournalistischen Inhalte kostenpflichtig an. Dieser Trend zur Paywall findet auch in Deutschland statt, wo die Verlage vor allem auf ein Plus-Modell setzen, bei dem die Redaktion zwischen freien und kostenpflichtigen Artikeln unterscheidet. Doch wie die Verlage diese Strategie im redaktionellen Management umsetzen, ist bisher kaum erforscht worden. Hier setzt die vorliegende Masterarbeit an. Mithilfe von qualitativen Leitfadeninterviews mit den redaktionellen Paywall-Verantwortlichen von elf ausgewählten deutschen Zeitungsverlagen wird untersucht, wie das Paywall-Management deutscher Zeitungsverlage organisiert ist, welche Regeln es für Plus-Inhalte gibt und welche Anreize daraus für journalistische Entscheidungen entstehen. Die Analyse der Interviews zeigt, dass die untersuchten Redaktionen der Paywall-Strategie einen hohen Stellenwert zusprechen und sowohl ihre redaktionelle Organisation als auch ihre Arbeitsweisen daran ausrichten. So haben viele Redaktionen neue interdisziplinäre Plus-Teams geschaffen, die das Thema Pay abteilungsübergreifend verantworten, und heben so die ehemals strikte Trennung von Redaktion und Vertrieb auf. Der neue Fokus auf Publikumseinnahmen im Rahmen der Plus-Strategie führt außerdem dazu, dass das Publikum zum zentralen Zielsystem journalistischer Entscheidungen wird. In diesem Zuge orientiert sich die redaktionelle Auswahl immer stärker an Analytics-Daten, die Aufschluss darüber geben, welche Themen und Formate besonders viele Abo-Abschlüsse erzeugen, und deren Nutzung durch das redaktionelle Paywall-Management noch forciert wird. Demnach entstehen im Rahmen der Paywall-Strategie verstärkt kommerzielle Anreize für das redaktionelle Entscheiden. Die befragten Paywall-Verantwortlichen sehen darin jedoch keinen Widerspruch zu den normativen Qualitätskriterien journalistischer Auswahl, weil eine stärkere Ausrichtung am Publikum nach ihren Erfahrungen sogar Investitionen in die journalistische Qualität fördert. Die vorliegende Untersuchung bietet Einsichten in die Arbeitsorganisation und Entscheidungsprozesse der untersuchten Redaktionen, die sich aufgrund ihrer Verlagerung in einem Transformationsprozess befinden, der längst nicht abgeschlossen ist. Sie soll daher als Grundlage für weitere Forschungsvorhaben dienen.
Die Plus-Transformation. Wie der Pivot to Paid Content die redaktionelle Struktur und die journalistische Selektion verändert
Eine qualitative Analyse des Paywall-Managements deutscher Zeitungsverlage