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Der Werther-Effekt und weitere Folgen von Berichterstattung über Suizid und psychische Erkrankungen aus der Perspektive dreier Kinder- und Jugendpsychiater und einer Diplom-Psychologin

Suizid ist die zweithäufigste Todesursache von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, schätzungsweise jeder zehnte junge Mensch hat Suizidgedanken. Dabei hat Suizid auch eine kommunikationswissenschaftliche Komponente: den Werther-Effekt. Dieser besagt, dass psychisch erkrankte Menschen in einer entsprechend labilen Situation nach dem Konsum von Berichten über Suizide Nachahmungstaten begehen. Deshalb wird Suizid häufig medial tabuisiert. Dem entgegen steht der Papageno-Effekt, der Menschen bei entsprechend präventiver Berichterstattung von Nachahmungstaten abbringen soll.
Die Arbeit beschäftigt sich übergeordnet mit der Frage, ob diese Sichtweise in den Zeiten Neuer Medien noch zeitgemäß ist. Hierzu wurden vier klinische Mitarbeiter aus dem kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich in persönlichen Leitfadengesprächen nach der Mediennutzung ihrer Patient/innen und eigenen Beobachtungen zum Werther- und Papageno-Effekt befragt.
Es konnte festgehalten werden, dass nahezu alle Jugendlichen sich vor suizidalen Handlungen über Neue Medien zu dem Thema informiert hatten. Auch hatten drei der vier Befragten Werther-Effekte beobachtet. Papageno-Effekte wurden ebenfalls beobachtet, eine präventive Wirkung wurde allerdings kritisch betrachtet.
Eine mediale Tabuisierung von Suiziden ist dementsprechend nicht sinnvoll, da Jugendliche die entsprechenden Informationen jederzeit aus dem Internet beziehen können. Hier muss dringend an neuen Präventionsansätzen geforscht werden.