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Der Fallbeispieleffekt auf dem Prüfstand

Eine Untersuchung des Fallbeispieleffekts hinsichtlich der Merkmale von Rezipient*innen

Innerhalb der Medienberichterstattung fungieren Fallbeispiele und statistische Daten als journalistische Stilmittel und dienen der Darstellung komplexer Informationen. Im Vergleich zu statistischen Daten wird ein stärkerer Einfluss jener Einzelfallinformationen auf die Urteilsbildung von Rezipient*innen deutlich. Diese spezielle Wirkung und Überbewertung der Fallbeispiele manifestiert sich im Fallbeispieleffekt. Resultat dessen können demnach eine verzerrte Realitätswahrnehmung und die Fehleinschätzungen von Sachverhalten sein. Welche Determinanten diesen Effekt jedoch konkret bedingen, ließ sich auch nach jahrelanger Forschung nicht ermitteln.
Besonders mit Blick auf individuelles Rezeptionsverhalten, welches durch manifeste Prädispositionen geprägt ist, lässt sich ein deutlicher Einfluss auf die Wahrnehmung sowie Verarbeitung von Fallbeispielen und summarischen Realitätsbeschreibungen vermuten. Die Forschungsarbeit nimmt in der Fallbeispielforschung daher erstmalig eine umfassende rezipient*innenorientierte Perspektive ein.
Grundlage für die Forschung sind Daten einer experimentell angelegten Umfragestudie aus dem Zeitraum 2014 bis 2017 des sozialwissenschaftlichen Instituts der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Im Rahmen der Studie wurde das Meinungsklima sowie die eigene Meinung von Studierenden auf Basis präsentierter Zeitschriftenartikel, die je nach Experimentalgruppe Fallbeispiele als auch summarische Realitätsbeschreibungen enthielten, erfasst. Angelegt als Quasi-Experiment untersucht die Arbeit nun mittels quantitativer Sekundärdatenanalyse die Wirkung beider Darstellungsmitteln hinsichtlich des individuellen Mediennutzungsverhaltens, rationaler sowie emotionaler Entscheidungsfindung, der individuellen Persönlichkeitsstärke und der Persönlichkeitsstruktur anhand des Fünf-Faktoren-Modells.
Die Ergebnisse lassen nur teilweise Zusammenhänge zwischen den Merkmalen der Personen und der konkreten Wirkung von Einzelfallinformationen und statistischen Daten erkennen. Neurotizismus als Element des Fünf-Faktoren-Modells sowie die Mediennutzungsmotive Unterhaltungs- und Informationsorientierung treten im Rahmen der Fallbespieleffekt-Untersuchung hingegen als Einflussgrößen auf die Urteilsbildung der Rezipient*innen hervor. Bei diesen Merkmalen zeigt sich eine stärkere Wirkung der Fallbeispiele auf die Urteilsbildung.
Auch wenn die Analyse keine weiteren Zusammenhänge aufweist, liefert diese Studie neue Ergebnisse bei der Suche nach den Ursachen des Fallbeispieleffekts. Besonders im Zuge von Globalisierungsprozessen und der voranschreitenden Komplexität werden Vereinfachungen durch Fallbeispiele und summarische Realitätsbeschreibungen sowie deren genaue Untersuchung weiterhin an Relevanz gewinnen.