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Das Parlament als Kommunikationsarena

Öffentlichkeitsebenen und Kommunikationsmuster in Plenardebatten des Deutschen Bundestages am Beispiel der Haushaltsdebatte

Die Arbeit ist eine Synthese verschiedener Konzepte zur Plenarkommunikation und Debattenöffentlichkeit. Der Forschungsfrage „Wie funktioniert Kommunikation in Plenardebatten?“ folgend werden mittels einer theoretisch-systematisierenden Literatur- und Fallanalyse zwei Modelle zur Debattensituation und Hypothesen über das Kommunikationsverhalten der Fraktionen in der Haushaltsdebatte aufgestellt. Anhand der Aufgaben des Parlaments werden demokratietheoretische Konzepte diskutiert sowie Interpellationsinstrumente in ihrer Öffentlichkeitsfunktion beschrieben. Basierend auf Kißler, Gerhards/Neidhardt und Habermas wird ein Öffentlichkeitsverständnis skizziert, das den Plenarsaal als trialogische Kommunikationssituation definiert, dessen Rahmenbedingung die Logik massenmedialer Selektion- und Aufmerksamkeitsregeln ist. Die Sitzungsöffentlichkeit wird als Kommunikationsarena mit mehreren Ebenen beschrieben. Das ursprüngliche Arenenmodell wird um die makroperspektivische Feststellung erweitert, dass Abgeordnete auf einer „inszenierten“ Galerie und abwesende Bürger als „eigentliches“ Publikum auf der „echten“ Galerie sitzen, während die Massenmedien als Vermittler sowohl Galeriepublikum als auch Kommunikatoren ihrer eigenen Arena sind. Diese „Mehrebenen-Situation“ produziert interaktive Kommunikationsmuster, deren Charakter mit der sprachlichen Logik der Mehrfachadressierung operationalisierbar wird. Den Bundestag als Arbeitsparlament zeichnet aus, dass die öffentliche Debatte eine Simulation der in den Ausschüssen geführten Deliberation ist. Interaktionsmuster dienen als strategische Mittel dem Aufmerksamkeitsgewinn, der begründenden Darstellungskommunikation und Zustimmungserzeugung. Der Spezialfall der jährlichen „Generaldebatte“ bringt anschlusskommunikativ relevante Modi der Plenarkommunikation hervor, welche die folgenden Interaktionsmuster mitbestimmen. Die Arbeit ermöglicht Anschlussforschung zu Fragen der Linguistik, Parlamentsberichterstattung, Rezeption und Wirkung und schafft die Grundlage für ein Verständnis des Populismus als Kommunikationsstrategie.