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Das kulturelle Gedächtnis zu „Achtundsechzig“

Eine Diskursanalyse zur medialen Darstellung der „Studentenbewegung“ 50 Jahre danach

Was bleibt 50 Jahre später von 1968? Wie geht die deutsche Gesellschaft heute mit einem zentralen Ereignis (und zugleich Chiffre) ihrer Geschichte um, der Studentenbewegung von 1968? Die Arbeit untersucht das medial produzierte kulturelle Gedächtnis zu „1968“ und fragt, was die dominierenden Deutungen und Bewertungen dieser diskursiven Formation in den Medien sind. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Geschichte immer von Werten und Interessen des Heute aus thematisiert und dazu benutzt wird, um in aktuellen Auseinandersetzungen Weltsichten zu rechtfertigen. Geschichte dient in Diskursen stets bestimmten Zielen und Interessen. Das bereits im kulturellen Gedächtnis fest verankerte „1968“ liefert ein gutes Beispiel, um zu untersuchen, was aktuelle Nachrichtenmedien mit historischer Realität machen: wie sie die Identität der Gesellschaft auf Geschichte aufbauen und definieren, was aktuell „richtige“ und „falsche“ Werte, Normen und politische Positionen sein sollen.
Der theoretische Rahmen der Arbeit setzt sich aus der Theorie des kulturellen Gedächtnisses (Assmann/Assmann) und Foucaults Diskurstheorie zusammen. Er bildet die Grundlage, um 33 Artikel aus 4 Leitmedien (SZ, Welt, FAZ, taz) mit einer qualitativen Inhaltsanalyse auszuwerten. Als Zeitraum der Sichtung des Materials werden die ersten fünf Monate des Jahres 2018 definiert. Das Kategoriensystem wird in einer Mischung aus deduktivem und induktivem Vorgehen systematisch nach Foucault hergeleitet und nach einer ersten Sichtung des Materials angepasst.
Mithilfe der angewandten qualitativen Methode werden dominante Diskurse identifiziert und beschrieben. Zur fundierten Interpretation der Ergebnisse wird auf Edgar Wolfrums drei Arten der Historie zurückgegriffen. Ein Vergleich der vier Medienangebote bildet den Abschluss der Arbeit.
Der gesellschaftliche Deutungskampf um das Erbe von 1968 – an dem die Presseberichterstattung maßgeblich beteiligt ist – lässt sich kurz gefasst auch 50 Jahre danach als kontrovers beschreiben.
Die Arbeit zeigt auf, dass auch die Medien- und Kommunikationswissenschaft ihren Beitrag zur historischen Aufarbeitung von Achtundsechzig leisten kann.