Der digitale Wandel trifft jetzt auch die klassischen TV-Sender mit voller Wucht. Ihre bisherigen Geschäftsmodelle drohen ähnlich wie bei den Printmedien wegzubrechen. Das veränderte Nutzungsverhalten der RezipientInnen macht deshalb eine umfassende Neuorganisation der Redaktionsstrukturen notwendig. Unternehmen wie die Mediengruppe RTL oder der WDR richten deshalb gerade ihre journalistische Infrastruktur neu aus, um zukunftsfähig zu sein. Die Herausforderung ist hier noch größer als im Printbereich, denn es geht dabei um eine Vielzahl von linearen Sendern, Online-Plattformen und Social-Media-Kanälen, die in einer gemeinsamen journalistischen Infrastruktur vereint werden sollen. Die Arbeit behandelt deshalb die Frage, welchen Einfluss die Umstellung von Redaktionen in crossmediale Fachzentren auf die Arbeit in Fernsehsendern hat.
Mit bisher bestehenden Terminologien der Journalismusforschung lassen sich diese Entwicklungen kaum mehr abbilden. Der neu entwickelte Begriff des „crossmedialen Fachzentrums“ beschreibt dagegen zutreffend die zentrale Zulieferung von Inhalten für mehrere Ausspielwege, bei welcher individuelle Sendungsstrukturen trotzdem berücksichtigt werden. Das Redaktionsmanagement muss deshalb zwei unterschiedliche Zielstrategien abbilden: Einerseits eine ausspielwegsunabhängige Content-Orientierung und andererseits die Aufrechterhaltung sendungsbezogener Redaktionsstrukturen, um die Marken sowohl linear als auch digital weiter zu entwickeln.
Als Methode wurden Experteninterviews anhand eines halbstandardisierten Leitfadens durchgeführt. Es handelt sich bei den Befragten ausschließlich um Führungskräfte der Mediengruppe RTL und des WDR, die am Aufbau crossmedialer Strukturen beteiligt sind. Die Untersuchungsergebnisse ergeben ein Bild, dass die linearen Sendungsredaktionen gegenüber den crossmedialen Fachzentren erheblich an Attraktivität besonders für junge für JournalistInnen eingebüßt haben. Das Spannungsverhältnis zwischen crossmedialer Content-Orientierung und dem Linearen bleibt somit nicht nur inhaltlich, sondern auch perspektivisch bestehen. Die Corona-Pandemie und das häufige Arbeiten von zu Hause aus, hat allerdings die Führungskräfte zum Hinterfragen der bisherigen räumlichen Strukturen der crossmedialen Fachzentren angeregt, die bisher aus Großraumbüros bestehen. Von diesen immer umfangreicher werdenden Koordinationsstellen könnte es daher eine Abkehr geben, da aktuell geplante Konzepte großer Newsroomeinheiten sonst schon als veraltet gelten könnten, bevor sie überhaupt fertig sind.