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Corona-VerschwörungstheoretikerInnen: depriviert, rechtsradikal und unerreichbar?

Eine Sekundäranalyse möglicher Ursachen ihres Glaubens an COVID-19-Verschwörungstheorien

Ähnlich rasant wie das Corona-Virus selbst haben sich in der Pandemie auch dazugehörige Verschwörungstheorien verbreitet. Der Glaube an Verschwörungstheorien wurde in jüngster Vergangenheit zudem mit rechtspolitischen Einstellungen und dem Verüben von Attentaten in Deutschland (wie z.B. die rassistischen Anschläge in Hanau und Halle) sowie mit der niedrigen Impfquote in Verbindung gebracht. Daraus ergibt sich eine besondere Relevanz der Betrachtung von Verschwörungstheorien vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Es ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, welche Prädiktoren für die Ausprägung von Verschwörungsglaube entscheidend sind.
Vor dem Hintergrund der Verbreitung von Corona-Verschwörungstheorien beabsichtigt diese Arbeit zur Schließung dieser Forschungslücke beizutragen.
Auf Basis einer Sekundäranalyse (repräsentative Umfrage mit 1207 Befragten aus Deutschland) und von Forschungsergebnissen der Soziologie, Politik- und Kommunikationswissenschaft, untersucht diese Arbeit, ob die soziodemografischen Merkmale, die politischen Einstellungen und das Mediennutzungsverhalten im Zusammenhang mit dem Glauben an Corona-Verschwörungstheorien stehen.
Die Ergebnisse zeigen, dass ein niedrig ausgeprägter sozioökonomischer Status die Zustimmung zu Corona-Verschwörungstheorien kaum vorhersagt. Corona-Verschwörungstheoretiker:innen scheinen außerdem nur einen kleinen Teil der Bevölkerung auszumachen und können nicht auf eine soziale Schicht reduziert werden. Entgegen den Erwartungen und früherer Literatur konnte in dieser Arbeit kein Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Verschwörungsglaube festgestellt werden. Eine mögliche Erklärung ist, dass eine Person mit medizinischem Bildungshintergrund Verschwörungstheorien eher skeptischer gegenübersteht als eine Person, die zwar über höhere Bildungsabschlüsse verfügt, diese aber in nicht-verwandten Themengebiet erlangt hat. Nichts desto trotz konnte ein Zusammenhang zwischen der empfundenen persönlichen Deprivation im Vergleich zu anderen Menschen in Deutschland mit Corona-Verschwörungsglaube festgestellt werden. Somit ist weniger die benachteiligte Position einer Person per se, sondern die subjektive Wahrnehmung ihrer Position für die Tendenz zum Verschwörungsglauben entscheidend.
Darüber hinaus belegen die Ergebnisse einen Zusammenhang zwischen rechtsradikalen Weltanschauungen und Corona-Verschwörungsglaube. Dies ist zurückzuführen auf ähnliche Argumentationslinien und Feindbilder von Rechtsradikalist:innen und Verschwörungstheoretiker:innen. Unter dem Deckmantel der angeblichen Menschenrechts- und Freiheitsberaubung schaffen es Corona-Verschwörungstheorien eine Brücke zu rechtsradikalen Weltanschauungen zu schlagen.
Zudem konnte festgestellt werden, dass Verschwörungstheoretiker:innen eher nicht-journalistische Online-Medien konsumieren und sich von Qualitätsmedien abwenden. Der hier ermittelte negative Zusammenhang zwischen der Nutzung von Qualitätsmedien und Corona-Verschwörungsglaube deutet darauf hin, dass diese Medien eine wichtige Rolle im Widerlegen von Falschinformationen spielen können.