Welche Rollenkonflikte können bei Journalisten entstehen, wenn sie sowohl beruflich als auch privat auf Twitter aktiv sind? Diese Frage steht im Zentrum des Forschungsinteresses dieser Masterarbeit. Im theoretischen Rahmenkonstrukt der sozialen Rolle nach Dahrendorf (1974) und Parson (1951) wurde mit Hilfe von qualitativen Leitfadeninterviews untersucht, wie unterschiedliche Bündel an Erwartungen bei Journalisten zu Rollenkonflikten führen können. Dabei wurden vor allem die Erwartungen der Bezugsgruppe des „klassischen“ Journalismus sowie die der Bezugsgruppe der Twitter-Follower betrachtet.
Zudem wird in der Arbeit dargestellt, wie die betroffenen Journalisten mit Rollenkonflikten umgehen. Die Analyse des erhobenen Materials ergab, dass bei den meisten twitternden Journalisten Inter-Rollenkonflikte auftreten, die sowohl durch externe Einflüsse der Bezugsgruppen entstehen können, aber auch durch eine Abweichung und Verletzung von internalisierten Normkonstrukten. Die bisherige Forschung verweist hierbei auf einen Unterschied zwischen den allgemein geltenden Normen im klassischen Journalismus und den neu entstehenden Normen in Bezug auf ein digitales Netzwerk auf Social-Media-Plattformen. Empfinden Journalisten Qualitätskriterien wie Objektivität, Ausgewogenheit und Neutralität im redaktionellen Regelbetrieb als „unverrückbar“, so ist diese Haltung nicht unbedingt deckungsgleich mit der auf Twitter – zumindest gehen die Befragten davon aus, dass das bei vielen ihrer Kollegen der Fall ist. Die Interviewpartner wenden sowohl Präventions- als auch Bewältigungsstrategien an, um innere Konflikte und daraus resultierenden Stress zu vermeiden. Vor allem die vielfältigen Präventionsversuche zeigen, dass sich Journalisten mittlerweile ernsthaft damit befassen, in welche Konflikte sie durch ihre Tweets geraten können.
Im Sinne von Goffmans „Impression Management“ bestätigen die Ergebnisse der Arbeit, dass Journalisten ihre Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit zunehmend als wichtig ansehen. Das Ziel, sich selbst als Marke auf Twitter zu etablieren, rückt immer mehr in den Fokus, was unter anderem durch Präkarisierungstendenzen im Journalismus begünstigt wird. Alle Befragten sehen ihre digitale Identität auf Twitter als direkten Einflussfaktor auf die Rolle als Privatperson aber auch auf ihre Rolle als Journalist.
Die Forschungsarbeit zeigt, dass Journalisten eine konsequente Trennung auf Twitter von beruflich und privat eher als utopische, normative Forderung, denn als konsequent umsetzbare, realistische Option ansehen.