Im Fokus der Untersuchung stehen Journalist*innen, die in Deutschland im Exil arbeiten. Ziel ist es, herauszufinden, was diese Personen auszeichnet, mit welchen Herausforderungen sie sich konfrontiert sehen und welche Chancen sie bezüglich ihres Berufs im Exil wahrnehmen. Dafür wurden von Mai bis September 2020 leitfadengestützte Interviews mit acht Medienschaffenden aus Gambia, Iran, Syrien und Tadschikistan geführt, die mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2016) bearbeitet wurden.
Theoretische Grundlage der Arbeit sind sogenannte Mehrebenenmodelle des Journalismus, wobei insbesondere die Arbeit von Esser (1998) als Ausgangspunkt für ein modifiziertes Mehrebenenmodell für den Exilkontext dient.
Das Exil wird bestimmt durch seinen zeitlichen Rahmen. Der Beginn stellt einen gezwungenen, unfreiwilligen Bruch mit dem bisherigen Leben dar. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Ende des Exils: Betroffene Personen haben wenig bis keinen Einfluss darauf, wann sie in ihre Heimat zurückkehren können. Kennzeichnend für Exilierte ist eine „ausgeprägte Heimatorientierung“ (Kuhlmann 2014). Sie ist Ausdruck kürzlich gemachter individueller Erfahrungen, die als Motivation heimatgerichteten Handelns dienen können. Drittens sind im Exilkontext Zugehörigkeits- und Ausgrenzungsprozesse zu berücksichtigen, denn im Zuge der Mobilität können Exilierte von Mitgliedern der Ankunftsgesellschaft als „fremd“ wahrgenommen werden.
Charakteristisch für die interviewten Journalist*innen ist, dass Ereignisse in ihren Heimatländern sie motivierten, journalistisch zu arbeiten, und ihr Berufsverständnis geprägt haben: Sie sehen sich als Sprachrohr der Bevölkerung. Wichtig ist ihnen, dass alle Menschen Zugang zu Informationen haben. Mitunter wird die Tätigkeit als Journalist*in mit der Arbeit von Aktivist*innen gleichgesetzt, da man als Medienschaffende die Interessen der lokalen Bevölkerung teile.
Die Arbeit in deutschen Redaktionen sowie im deutschen Journalismus- und Mediensystem beurteilen die Interviewten grundsätzlich positiv; insbesondere die Gewährleistung der Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland ermögliche es ihnen, ihrer Profession ungefährdet nachzugehen. Kritisiert wird jedoch der schwierige Zugang zum deutschen Mediensystem. Es herrsche die Prämisse vor, Journalismus brauche nur Muttersprachler*innen. Weiterhin äußern die Exilierten eine emotionale Verbundenheit zu Personen aus der Heimat sowie zu Personengruppen, die ähnliche Biografien haben wie sie, beispielsweise Geflüchtete. Diese Verbundenheit spiegelt sich in der Einschätzung der Journalist*innen darüber wider, welche Themen besonders relevant seien sowie in den Themen, zu denen sie selbst recherchieren. Kritik äußern sie an der Berichterstattung über Geflüchtete, über als Migrant*innen gelesene Personen sowie über ihre Heimatländer. Auch das Thema Rassismus (in Deutschland) wird ihnen zufolge medial nicht angemessen behandelt; aus ihrem Privatleben berichten einige von ihnen von rassistischen Anfeindungen.