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Einflussfaktoren auf die journalistische Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen

Ein internationaler Forschungsüberblick

Medien werden als wichtiges Instrument im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt betrachtet, da sie für das Thema sensibilisieren und Hilfsangebote für Betroffene aufzeigen können. Gleichzeitig kann ein unangemessener Umgang mit dem Thema Stigmatisierung und Retraumatisierung der Betroffenen nach sich ziehen. Viele Studien zur Aufbereitung genderbasierter Gewalt in den Medien behandeln den Einfluss und die Anwendung ethischer Leitlinien, die teils von Medienorganisationen in Form von Handbüchern aber auch von Nichtregierungsorganisationen oder staatlichen Institutionen als Kodizes festgeschrieben sind. Welche weiteren Einflussfaktoren beeinflussen, wie Journalist:innen über Gewalt gegen Frauen berichten, wurde bisher wenig untersucht. Diese Arbeit soll einen Überblick über die aktuelle, internationale Forschung bieten.

Mittels Schneeballverfahren wurden elf Studien ermittelt, welche auf Expert:inneninterviews mit Medienschaffenden basieren, teils ergänzt durch Analysen von Medieninhalten. Die Untersuchungen wurden in Australien, Irland, Spanien, Mexiko, Georgien, Pakistan und Indien durchgeführt und nehmen unterschiedliche Medientypen in den Fokus, darunter Zeitung, Fernsehen, Radio und Online-Nachrichten. Für eine systematische Aufführung der Einflussfaktoren wurde das Hierarchy of Influences Modell von Shoemaker und Reese (2014) gewählt. Demnach wurden die Faktoren fünf Ebenen zugeordnet, den Ebenen der Sozialen Systeme, der Sozialen Institutionen, der Organisationen, der Routinen und der Individuen. Die Ebenen wirken sowohl direkt als auch indirekt auf die Individuen, in diesem Fall Journalist:innen und Redakteur:innen, ein.

Aus den Studien gingen gleichermaßen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern und Medientypen hervor, teils widersprachen sich auch einzelne Befragte innerhalb einer Studie. Zu den wiederholt genannten Faktoren zählten ethische Anforderungen, stark ausgeprägte Redaktionshierarchien und damit der Einfluss von Redakteur:innen, hoher Zeitdruck sowie die Rolle der Polizei. In Bezug auf die ethischen Anforderungen zeigte sich, dass sich die individuellen, ethischen Vorstellungen einer guten Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen teils stark unterschieden.
Die bisherige Forschung sollte um quantitative Methoden und komparative Studien ergänzt werden, um die Befunde zu prüfen.