In den ersten Wochen des Ukraine-Kriegs unterbrachen die deutschen Hauptfernsehsender beinahe täglich ihr Programm für Sondersendungen. In ihren Inhalten sind typische Muster der Kriegsberichterstattung zu erkennen, wie eine Analyse der bisher wenig untersuchten Sondersendungen Brennpunkt und RTL Aktuell Spezial zeigt. Sie tragen aufgrund ihrer Reichweite eine hohe Verantwortung bei der Darstellung von Kriegen.
Im Detail wurde erforscht, wie viel Sendezeit dem konkreten Kriegsgeschehen und Hintergründen zum Krieg gegeben wird und in welchem Verhältnis Eliten gegenüber einfachen Bürger*innen in den Sendungen auftauchen. Dazu wurden auch Feindbilder betrachtet. Als theoretische Basis dienten eine Vielzahl vorangegangener Arbeiten zur Kriegsberichterstattung. Im Rahmen der Inhaltsanalyse wurden jeweils die ersten zehn Ausgaben zur Primetime um 20:15 Uhr, sowohl quantitativ als auch qualitativ untersucht. Die Ergebnisse sind aufgrund der bewussten Auswahl der Merkmalsträger und der relativ kleinen Stichprobe nicht repräsentativ.
Legt man die Gesamt-Sendungsminuten zugrunde, wurde in beiden Sendungen vor allem über die Themenbereiche Kriegsgeschehen und Kriegsstrategie (33 %), Reaktionen auf den Krieg (25 %) und Kriegsopfer und Schäden (16 %) berichtet. Nur ein Prozent der Sendungsminuten konnte dem Themenbereich Hintergründe und Reflexionen zugeordnet werden. Dabei gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Formaten. Größere Unterschiede konnten hingegen bei den zwei Themenbereichen Humanitäre Hilfe und Wirtschaft und Energiepolitik festgestellt werden. Sie erhielten bei RTL Aktuell Spezial prozentual etwa doppelt so viel Sendezeit.
Die Akteursanalyse hat ergeben, dass von den untersuchten Auftritten in Minuten, die größten Anteile auf Journalist*innen des Senders (30 %), Zivilist*innen/Durchschnittsbürger*innen (19 %), Politische/Militärische Entscheider*innen (19 %) und Expert*innen (19 %) entfielen. Die differenzierte Betrachtung beider Sendungen zeigt, dass Zivilist*innen in der Sendung Brennpunkt deutlich mehr Zeit eingeräumt wurde (23 %) als bei RTL Aktuell Spezial (12 %). Ein umgekehrtes Bild ergibt sich bei Journalist*innen des Senders, die bei RTL Aktuell Spezial prozentual etwa doppelt so viel Sendezeit bekamen. Darüber hinaus konnten, im Rahmen einer nachgelagerten qualitativen Untersuchung, in beiden Formaten Freund-Feind-Schemata und personalisierte Feindbilder identifiziert werden.