Der Ausdruck „Cancel Culture“ findet in öffentlichen Debatten immer wieder breiten Anklang. Diskussionen, die mit dem Schlagwort aufgeladen werden, werden medial teils hitzig geführt. Dabei werden häufig Themen behandelt, die sich auf die Absage von Veranstaltungen, die (De)Legitimierung bestimmter Positionen und Personen und dem Zustand der aktuellen Debattenkultur beziehen. „Cancel Culture“ wird dabei von diversen gesellschaftlichen und politischen Akteur:innen in vielfältigen Kontexten und mit unterschiedlichen Absichten genutzt – die Bedeutung des Begriffs bleibt allerdings unscharf. Für die einen beschreibt „Cancel Culture“ eine vorherrschende Diskurskultur, in der es zu einer Einschränkung der Redefreiheit komme. Für die anderen stellt seine Nutzung eine diskursive Taktik dar, um Kritik abzuwehren. Der Diskurs um „Cancel Cuture“ reiht sich dabei in Debatten um „Identitätspolitik“ und „Political Correctness“ ein und wird zu einem zentralen Schlagwort in polarisierten Auseinandersetzungen.
Ziel der Arbeit ist es, herauszufinden, wie der Diskurs um „Cancel Culture“ in den überregionalen Printausgaben der Tageszeitungen Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung und der Tageszeitung erzeugt wird. Dabei sollen Themenbereiche, zentrale Sprechpositionen sowie zentrale Deutungen herausgearbeitet und untersucht werden wie diese diskursiv hervorgebracht werden. Im theoretischen Rahmen der Arbeit werden Öffentlichkeiten, die Rolle der Medien sowie die Bedeutung von Diskursen nach Jäger erläutert. Des Weiteren wird eine diskursive Kontextualisierung von „Cancel Culture“ vorgenommen und Studien aufgezeigt, die sich mit Debatten um „Cancel Culture“ beschäftigen. Mittels kritischer Diskursanalyse nach Jäger wird eine Struktur- und Feinanalyse sowie eine anschließende zusammenfassende Gesamtanalyse vorgenommen. Der Analysezeitraum erstreckt sich von Juli 2020 bis Oktober 2021.
Die Analyse zeigt die thematische Vielschichtigkeit und die zentralen Diskurspositionen auf und arbeitet sprachliche Mittel und ihre Wirkungsweisen heraus. Dabei wird deutlich, dass der Diskurs vor allem von wiederkehrenden Diffamierungen und verallgemeinernden Aussagen über Aktuer:innen eines nicht näher definierten linken Spektrums sowie emanzipatorischer Politiken gekennzeichnet war. Debatten um „Cancel Culture“ wurden dabei zu einer Projektionsfläche für Empörung und Stimmungsmache gegen Feindbilder wie „Political Correctness“, Gender, „Identitätspolitik“ und der politischen Linken.