Die Meinungsfreiheit zählt als einer der wichtigsten Grundwerte in unserer Gesellschaft. Trotzdem besteht mit Blick auf diejenigen, die regelmäßig Ziel von Hassrede und Diskriminierung werden – gesellschaftliche Minderheiten – eine Debatte darüber, inwiefern dem Schutzumfang der Meinungsfreiheit Grenzen gezogen werden müssen. Diesem Spannungsverhältnis und den Konsequenzen, die sich aus diesem für die Wahrnehmung und die Einstellung zum Schutz der Meinungsfreiheit in Deutschland ergeben, widmet sich die vorliegende Arbeit. Im Fokus liegt hierbei die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund.
Die Basis dieser Untersuchung bilden die Theorie der sozialen Identität und das Konzept der Mikroaggressionen. Es wird untersucht, inwiefern der Migrationshintergrund und die Identifikationsstärke mit sowohl der Gruppe der Deutschen als auch der Menschen mit Migrationshintergrund, einen Einfluss auf die allgemeine Wahrnehmung der Meinungsfreiheit und die Beurteilung von konkreten Aussagen mit verschiedenen Diskriminierungsgraden nehmen.
Die Analyse erfolgt mittels einer Sekundäranalyse der Daten der quantitativen Online-Befragung Grenzen des Sagbaren (N = 945). Den Ergebnissen zufolge ist nicht das reine Vorliegen eines Migrationshintergrundes für Unterschiede in der Einschätzung der Meinungsfreiheit und Einstellung zu selbiger verantwortlich, sondern vielmehr die Stärke der Identifikation als Mensch mit Migrationshintergrund. Je stärker sich eine Person als Mensch mit Migrationshintergrund identifiziert, desto freier wird die Meinungsfreiheit wahrgenommen. Vergleichbar steigt auch die Beurteilung des Verletzungsgrades von Aussagen, die Diskriminierungen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund enthalten, während die Akzeptanz gegenüber diesen Aussagen sinkt. Die Identifikation als Deutsche*r hingegen zeigt kaum Effekte.
Es ist kompliziert – Die Beziehung zwischen Migrationshintergrund, sozialer Identität und der Einschätzung der Meinungsfreiheit
Eine Sekundäranalyse